Lange war C5 der pragmatische Schlüssel, um mit Hyperscalern auf Augenhöhe zu sprechen: klare Kontrollziele, nachvollziehbare Prüfberichte, eine Sprache, die Entwicklung, Betrieb, Einkauf, Recht und Revision zusammenbringt. Mit DORA – dem Digital Operational Resilience Act – verschiebt sich der Rahmen. Was zuvor „Best Practice“ oder „kundenseitige Due Diligence“ war, wird nun aufsichtliche Erwartung: belastbare Nachweise, risikobasierte Steuerung, Meldefähigkeit in Stunden, Wiederherstellbarkeit unter Druck, gelebte Lieferantenkontrolle. Kurz: Cloud-Prüfung wird regulatorisch. Dieser Beitrag zeigt, wie C5 und DORA zusammenpassen, wo sie sich ergänzen – und wie man die beiden Welten so verbindet, dass aus Compliance keine Bremse, sondern ein betriebliches Beschleunigungsprogramm wird.

Von der Komfortzone in den Ernstfall: Was sich mit DORA ändert

C5 hat Unternehmen befähigt, die Provider-Seite systematisch zu prüfen: Mandantentrennung, Kryptostrategien, physische und logische Sicherheit, Logging-Optionen, Incident-Prozesse, Subprozessoren, Notfallkonzepte. DORA dreht die Kamera und zentriert die Kundenseite: Wie sind kritische Prozesse definiert? Welche Zeiten gelten (Erkennen, Entscheiden, Begrenzen, Wiederherstellen)? Wie laufen Vorfälle durch die Organisation – und durch die Lieferkette? Welche Evidenz liegt wann vor? Wie werden Risiken bei IKT-Dritten gesteuert? Wie werden Tests geplant, durchgeführt, ausgewertet? Damit reicht es nicht mehr, „einen C5-Bericht im Ordner zu haben“. DORA erwartet, dass Cloud-Einsatz in die Resilienz-Mechanik eingebaut ist – prüfbar, wiederholbar, anschlussfähig.

Der Übergang ist anspruchsvoll, aber logisch: C5 liefert den Rohstoff (kontrollierbare Provider-Fähigkeiten, prüferische Feststellungen), DORA liefert den Takt (Zeitketten, Meldefenster, Testzyklen, Governance-Pflichten). Wer beides verbindet, kann Cloud souverän betreiben – und Aufsichtserwartungen ohne Übersetzungsverluste bedienen.

Die gemeinsame Landkarte: Wo C5 auf DORA einzahlt

Der Kernwechsel: Von Stichtag zu Zeitketten

Regulierung denkt in Zeitfenstern: „Wann wussten Sie was?“ – „Wann haben Sie entschieden?“ – „Wann haben welche Maßnahmen gewirkt?“ – „Wann konnten Sie wieder in definierter Qualität liefern?“ C5-Berichte sind periodisch; DORA-Prüfungen sind zeitkritisch. Das zwingt eine Verschiebung: Weg vom Reifegradscore, hin zu vier Uhren je kritischem Prozess:

  1. Erkennen (MTTD): Abweichung/Vorfall registrieren (auch aus Provider-Signalen).
  2. Entscheiden (MTTDecide): Schwelle, Rolle, Entscheidungspfad, Zeitbudget.
  3. Begrenzen (MTTC): Isolieren, blocken, drosseln, Schlüssel drehen, Backups abkoppeln.
  4. Wiederherstellen (MTTR): Servicequalität X in Zeit Y.

Dazu kommt die fünfte Uhr: Time to Proof – Zeit bis zur belastbaren, konsistenten Darstellung für Aufsicht, Kundschaft, Auditor:innen. Wer C5 und DORA zusammendenkt, baut die Uhren in Technik und Organisation ein: Gates blocken exploitable Zustände automatisch; Workflows erzwingen Entscheidungen mit Fristen; Runbooks lösen Begrenzungen deterministisch aus; Drills messen Wiederherstellung realistisch; Evidenz entsteht automatisch.

C5-Kontrollen als Schalter, nicht als Satz

Viele Richtlinien scheitern im Alltag, weil sie nicht exekutieren. C5-Kontrollen werden DORA-tauglich, wenn sie Schalter sind:

Diese Schalter sind prüfbar (C5), wirksam (DORA) und alltagstauglich (Teams müssen keine Interpretationskunst beherrschen). Genau so sieht moderne Governance aus.

Evidence, das trägt: Der gemeinsame Beweiskörper

Die beste Strategie scheitert, wenn der Beweis zerfällt. DORA will belastbare, konsistente, schnelle Nachweise; C5 bringt geprüfte Provider-Artefakte. Zusammen wird ein Evidence Layer benötigt:

Ein solcher Layer ist systemnah (kein Copy&Paste), signiert, versioniert und adressierbar (IDs für Assets, Prozesse, Kontrollen, Lieferanten). Er speist Management-Reports, Audits, Aufsichtsanfragen – ohne ad-hoc „Datenräume“ zu basteln. Wichtig: Time to Proof wird harte Kennzahl und Priorisierungskriterium.

Third Parties im DORA-Takt: Anschluss, nicht Attest

C5 hat Anbietern Transparenz abverlangt; DORA verlangt Anschlussfähigkeit über die gesamte Lieferkette. Gute TPRM-Praxis unter DORA heißt:

So wird aus „Wir haben einen C5-Bericht vom Anbieter“ ein gemeinsamer Regelkreis, der Vorfälle zähmt, statt sie zu verlängern.

Resilienztests: Von der Checkliste zum Muskel

DORA macht Tests zum Pflichtprogramm – risikobasiert, szenariogetrieben, mit Auswertung und Wiederholung. C5 liefert die Provider-Fähigkeiten (DR-Design, Teststrategie, Wiederanlaufziele). Der Mehrwert entsteht, wenn Unternehmen:

Resilienz ist eine Fähigkeit, kein Dokument. Sie wächst mit üben, messen, nachschärfen. C5 gibt die Bauteile, DORA den Trainingsplan.

Incident Reporting ohne Theater

Meldepflichten erzeugen Druck. Gut so – sie schaffen Tempo, Klarheit, Lernkurven. Ein reifer C5/DORA-Betrieb schafft drei Voraussetzungen:

  1. Determinismus: Vorqualifizierungsschwellen, fertige Erstmeldungen mit Platzhaltern, T-minus-Checklisten, Klartextvorlagen.
  2. Koordination: Technische, rechtliche, kommunikative Fäden laufen zusammen; Entscheidungen fallen rechtzeitig; Eskalationsketten sind geübt.
  3. Evidenz: Vorfallpaket entsteht automatisch – Logs, Entscheidungen, Maßnahmen, Providersignale mit Zeitstempeln; Widerspruchsfreiheit ist gegeben.

So wird Melden nicht zur Selbstgefährdung, sondern zur Souveränitätsleistung. Aufsichten sehen: Hier funktioniert ein Regelkreis.

Daten im Zentrum: Zweck, Durchgriff, Löschung

DORA schaut auf Verfügbarkeit und Integrität; Datenschutzrecht auf Vertraulichkeit und Zweckbindung. C5 bildet Provider-Mechanik ab. Zusammen gewinnen Unternehmen, die Datenzentrierung ernst meinen:

Das Ergebnis ist Governance, die nutzen lässt, ohne verbrannte Erde zu hinterlassen.

Kultur, die trägt: Frühwahrheit, Ablauf, Reduktion

Keine Regulierung wirkt gegen Kultur. Drei Gewohnheiten machen C5/DORA stabil:

Führung führt entlang der Zeitketten. Budget folgt Bandbreiten (Median/P95-Schaden pro Prozess). Governance wird Investition, nicht nur Pflicht.

Kennzahlen mit Konsequenz

Zahlen steuern nur, wenn sie etwas auslösen. Ein Kernset, das C5/DORA vereint:

Jede KPI hat einen Konsequenzplan: Eskalation, Pflicht-Drill, Budgetumschichtung, Vertragsnachsteuerung. Messen ohne Handlung ist Dekor.

Migration ohne Big-Bang: Drei Etappen

1) Sichtbar (0–60 Tage)
Kritische Prozesse (3–5) bestimmen, Zeitketten grob messen, Klartext-Policies (eine Seite) mit Schwellen. Zwei, drei Schalter scharf (CMK, Log-Pflicht, Export-Zweck, JIT-Admin). Evidence-MVP: Entscheidungen, Gates, Ausnahmen, PSIRT, Drills signiert.

2) Greifend (61–120 Tage)
Gates ausweiten (SBOM/VEX, Data-Contracts), Interconnect-Drill mit Schlüssel-SaaS, Restore-Probe unter Zeitdruck. Verträge um Anschluss, Forensik, Drill, Exit-Light ergänzen. KPIs mit Schwellen einführen und Konsequenzen verdrahten.

3) Steuernd (121–180 Tage)
Monatliche Zeitketten-Reviews mit Budgetschaltern, halbjährliche Drills, Ausnahme-Hygiene (Abläufe, Kompensation), Reduktion toter Regeln. Reporting aus dem Evidence Layer – identisch für Management, Audit, Aufsicht. Lieferanten in denselben Takt zwingen (Feeds, Forensik, Drillkalender).

Nach 180 Tagen ist nichts „fertig“, aber Cloud-Governance ist auditfähig aus dem Betrieb heraus und aufsichtsreif.

Warum sich das lohnt: Tempo, Konditionen, Vertrauen

Wer C5 konsequent nutzt und DORA operativ verankert, gewinnt an drei Fronten:

Kurz: C5 liefert das Wissen, DORA liefert den Willen – zusammen liefern sie Wirkung.

Schluss: Prüfung ist Betrieb

„C5 trifft DORA“ ist keine Folie, sondern ein Arbeitsstil. Er beginnt vorne – in Architektur, Pipelines, Verträgen – und zeigt sich hinten – in Vorfällen, Drills, Nachweisen. Er ersetzt Sammelaktionen durch laufende Evidenz, Schönwetter-Scores durch Zeitketten, Zertifikats-Pingpong durch Anschlussfähigkeit. Und er ändert den Ton im Haus: Statt „Wir sind zertifiziert“ heißt es „Unsere Schalter greifen, unsere Zeiten halten, unser Beweis liegt vor“. Das ist der Moment, in dem Cloud-Prüfung regulatorisch wird – nicht als Drohung, sondern als Qualitätsmerkmal eines Betriebs, der weiß, was er tut.